Meine Klassiker 2008: Tuas Inzwischen

am 27. Oktober 2008 in #Meine Klassiker 2008 #Musik
Das ist der zweite Teil der Magazin-Serie “Meine Klassiker 2008

Tuas (22) ‚Inwischen‚ EP erschien diesen Sommer über das Hamburger Label Deluxe Records, das von Rap Veteran Samy Deluxe geführt wird. Tua steht dort seit kurzem unter Vertrag. Er wird vorrausichtlich sein Album ‚Grau‘ am 28. November veröffentlichen und zudem stellt er überschüssige (aber trotzdem nicht zu verachtende) Songs auf seinem Blog als eine zweite EP namens ‚Fast‘ zum freien Download. Den Sommer über tourte er als der Böse der Orsons durch Deutschland. Der Reutlinger ist also kein Unbekannter mehr in der deutschen Rapszene, 2005 veröffentlichte er sein Debüt ‚Nacht‚ über Royal Bunker. Das Album ging in einer sogenannten Release-Offensive des Berliner Labels unter, doch es ist kreativ, sehr musikalisch und komplett von Tua selbst produziert. Die letzten drei Aussagen kann man auch für sein aktuelles Werk vorbehaltslos treffen.
Das Grundgerüsst der ‚Inzwischen‘ EP besteht aus sehr elektronischen Kompositionen die auch mal ohne (Chorniy Angel) oder fast ohne (High, Speed) Text auskommen. Die Texte sind sehr persönlich, meisten melancholisch und legen Tuas Seelenleben offen. Dass er leidet leuchtet ein, denn wie kann es sein, dass jemand wie er lange ohne Label war, wo es doch kaum jemanden gibt der Hip Hop so innovativ und so authentisch lebt. Denn es geht ihm wirklich um Musik, wie er es dem Hörer nicht nur auf ’10 Jahre Musik‘ klar macht. Zurecht.
Auf ‚Es ist OK‘ versucht sich Tua mit der Armut des Musikbusiness abzufinden, doch es fällt schwer, denn seinem persönlichen Erfolg steht wohl weniger sein musikalisches im Weg, sondern seine Eigenständigkeit als Künstler, der zu stolz ist, sich anzubiedern. Ich bin sicher, dass er auch Max Mustermann aus Schweinfurt Beats auf die Stimme schneidern könnte, die die Charts erobern könnten, doch er tut es nicht. Stattdessen bringt er Musik heraus die unverbogen und authentisch ist. Er setzt sich auch mit der aktuellen Lage des Landes kritisch auseinander. Treffender als jede Einschätzung meinerseits ist dazu der Satz…

Wenn wir nicht wissen was wir anziehen wollen, dann ist der Schrank zu voll!

Armes, Reiches Land

Dieses und andere Luxusprobleme sind aktuell, aber werden – auch von mir – erfolgreich verdrängt, denn Erfolg und Geld folgen aus Egoismus, nicht aus Nächstenliebe. Tua weiß das, doch er weiß auch, dass selbst diese Prostituierte namens Leben ihn nicht brechen kann. Er ist auf dem Weg, hin zur Sonne, über den Schatten hinweg. Hoffentlich.
Schließlich endet dann ‚Inwischen‘ mit zwei Songs die einem die Sprache nehmen! Erst statuiert ‚High, Speed‘ ein Exempel für einen fast schon dadaistischen Ausdruck einer Stimmung die mich gleichermaßen tief berührt, als dass sie mich auch mit einem bretternden Beat mitreißt. Diesem Autobahn-Electro-Sound folgt mit ‚Stille‘ ein nie gehörter Sound eines ebeneso schönes Stück. Es ist für mich wie ‚High, Speed‘ zuvor wie ein Soundtrack zu einem Kopfkinofilm ist. Das Instrumental vereinigt verschiedenste Elemente zu einer würdigen Beigleitung zum Geschehen „hier am Rande des Wahnsinns“. Ein stiller, wohl aber kein leiser Abschluss einer EP die für mich musikalisch den bisherigen Höhepunkt dieses Jahres darstellt. Ich kannte vor dem Kauf dieser Platte Tua nur als Randerscheinung der Szene, bestimmt nicht als den Direktor des Zirkus Raps.
Aber allein die Zeile… „Meine Lieblingslieder, handeln von schmerzen und ich kann dir nicht einmal sagen, wieso“ bindet mich an Tua. 100%ige Zustimmung meinerseits.
Es bleibt festzuhalten, dass der melancholische Grundton überzeugt. Man merkt einfach, dass Tua sich nicht nur mit Rap auskennt. Er mischt seine Musik selber ab, weiß Effekte und seinen Gesang intelligent einzusetzen und schafft es als „Junge von der Straße“ auch für den Mittelstand interessant zu bleiben. Offene Musikhörer oder auch Electrofans können mit diesem Werk bestimmt viel anfangen. Der „gute“ Raphörer sowieso.
‚Inwischen‘ ist also ein kompaktes Stück Musik. Acht Songs auf 30 Minuten lassen musikalisch wie textlich keine Fragen mehr offen. Obwohl: Wenn das die EP ist!, wie gut wird das Album?



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