Meine Klassiker 2008: Prezidents Kleiner Katechismus

am 18. Oktober 2008 in #Meine Klassiker 2008 #Musik
Das ist der erste Teil der Magazin-Serie „Meine Klassiker 2008

Was soll man schon noch sagen, wenn man als Hip Hop affiner Musikhörer fast 40 Minuten lang einem Germanistik Studenten ausgesetzt ist, der einem nachhaltig bewusst macht in was für einer verdreckten Realität er lebt, wenn man fast 40 Minuten lang dreckige Drumsets auf minimalen Melodien zu hören bekommt und sich in einer surrealen, nicht lebenswerten Realität wähnt. Ich weiß nicht wie es ‚man‘ geht, doch ich war sprachlos, fasziniert, vielleicht auch geschockt und dann überzeugt.
Viktor Bertemann ist Wuppertaler und versucht sich seit über zehn Jahren an Beats und Raps. In dieser Zeit hat sich der junge Mann, der sich nun Prezident nennt, geschafft sich von jeglichen Fesseln der deutschen Rapszene zu lösen. In Prezidents Texten geht es nicht um perfekte Welten voller Geld und sich anbiedernden ‚Bitches‘. Stattdessen bietet Prezident einen harten Undergroundsound, der seine Geschichten und deren Ambiente angemessen untermalt und die Musik des bekennenden Charles Bukowski Fans wie ein Theaterstück erscheinen lässt, in dem er Regisseur und Schauspieler zugleich ist. Er schafft mit solider Technik und einer einem intensiven Einsatz seiner Stimme sich nachhaltig in die Fantasie des Hörers einzubrennen. Seine Texte sind zu wahr um schön zu sein und bestechen den Zuhörer, so handeln sie doch von Gelüsten und Schwächen die normal Tabus unserer Gesellschaft darstellen. Bertesmann stört das nicht im Wenigsten, im Gegenteil, er reizt eben diese Tabus aus, weist auf kleine Details hin und schafft so klare Bilder, die zum Nachdenken veranlassen. Wie weitreichend und signifikant sind diese Eindrücke im Hinblick auf unsere schöne, hellblau gezeichnet, vom Fernsehen geprägte Gemeinschaft? Sind wir wirklich so ingnorant und rücksichtslos wie es sich anhört? Das Handbuch der Unterweisung dazu:

Prezidents Album: Kleiner Katechismus

„Was mein eigenes Album angeht: Ehrlich gesagt könnte es besser sein. Es ist nicht das Überalbum, das ich im Sinn hatte, irgendwie bin ich auf den letzten Metern n bisschen gestrauchelt, nachdem ich zwischendurch echt der Meinung, ich würde da gerade an einem potentiellen Klassiker sitzen. Aber gut ist es auf jeden Fall.“

Prezident im Gespräch mit Rapdaweb.de

Prezidents Album erschien im Frühjahr und ist als kleiner Katechismus betitelt. Das Album umfasst 11 Lieder die ohne Gäste auskommen und bis auf drei Ausnahmen von Prezident produziert wurde. Eröffnet wird es von einem kritischen „Schon gehört? Sie verkaufen jetzt den Tod, in stilvoll, gehaltenen silbernen Dosen(…)“ und so geht es immer weiter. Siff im Makro-Objektiv. Höhepunkte sind der ‚Fickfilm‘, eine detailgetreue Schilderung einer sexistischen Fantasie Prezidents, die nette Aufforderung ‚Lieber Gott, schlag mich tot‘, die jedoch partout von eben diesem nicht erhört wird, da er sich auf Reisen unter Anderem in Palästina befindet, und ‚In Wohlgefalln‘, ein im Stil eines Tagebuchs geschriebenes Lied, welches die rasante Talfahrt des drogenabhängigen Bens beschreibt. Doch auch diese drei Songs heben sich nicht eindeutig hervor, bilden jedoch ein Art Gestell des Albums, das man als Gesamtwerk bezeichnen kann, dem man jedoch auch Abwechslungreichtum abstreiten kann. Die Beats klingen monoton und auch die Texte kann man kaum nebenbei laufenlassen, denn dann schleicht sich schnell der Eindruck ein, dass man nichts als Einheitsbrei hört. Doch dem ist nicht so. Nicht jedem gefällt das harte Vokubalar. So Einige sehen ein Solches in der Kunst völlig deplatziert. Doch sind nicht die Künstler die aus der Reihe fielen, die, an die sich die Nachwelt erinnert?
Kleiner Katechismus ist als Album vielleicht Vorreiter einer gebeutelten Musikszene: Es steht zum freien Download im Netzt bereit und bietet ein vom Künstler selbst illustriertes HTML Booklet. Verschickt wird es in einem kompakten *.Zip Paket (Portofrei).

Und doch ist auch bei Prezident Rap nur Rap. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.



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